Zusammenfassung
Der Artikel beschäftigt sich mit interkulturellen Kommunikationskontexten
zwischen Antragsteller türkischer Herkunft und dem Gutachter.
Nach einer kurzen Einführung zur interkulturellen Kommunikation
werden aus psychiatrischen Gutachten exemplarisch Aussagen
von Antragstellern und Stellungnahmen von Gutachtern zitiert
und im Zusammenhang mit interkultureller Kommunikation gestellt.
Das Kulturemmodell wird zur Analyse und Reflexion von Verhaltenseinheiten
beschrieben. Mögliche interkultureller Mißverständnisse
werden auf die Themenkomplexe Kulturelle Prägung kommunikativer
Kodes, Krankheitsverhalten, Somatisierung von psychischen
Leiden und Selbstwahrnehmung und Introspektionsfähigkeit
bezogen. Im Anhang werden Kultureme und Kommunikationssituationen
aus verschiedenen Ländern vorgestellt.
Einführung
Interkulturelle Kommunikation ist eine besondere
Art der Kommunikation, in der die interkulturelle Unterschiedlichkeit
zwischen eigenen und fremden Kulturen der beteiligten Personen
deutlich wird. Wir gehen von einer Kommunikationssituation
zwischen zwei Menschen aus verschiedenen Kulturen und unterschiedlichen
muttersprachlichen Kodes aus. Dies geschieht sowohl auf verbaler
als auch auf nonverbaler Ebene. Interkulturelle Kommunikation
findet als direkter Austausch zwischen Angehörigen verschiedener
Kulturen statt. Sie ist gebunden an situative Gegebenheiten
wie Raum, Zeit und Medium, die nicht neutral, sondern auch
kulturell besetzt sind.
Bewußt oder unbewußt ist interkulturelle Kommunikation
immer an das Interesse der Kommunizierenden gebunden. Bei
interkultureller Kommunikation kann nicht davon ausgegangen
werden, daß die Kommunikationpartner dieselben sprachlichen
Zeichen nutzen, um dieselben Inhalte zu beschreiben und dieselben
Bedeutungen zu übermitteln. Unterschiedlich sind in der
Regel auch die soziokulturellen Systeme, die die Beteiligten
geprägt haben und ihre Kommunikationsart bestimmen.
Gumperz geht davon aus, daß Schwierigkeiten des Kommunizierens
auf Differenzen in der Wahrnehmung und Interpretation konventioneller
sprachlicher und nicht verbaler Signale zurückzuführen
sind.
Mitglieder einer Kultur erlangen in Laufe ihrer Sozialisation
sowohl bestimmte Interaktionskonventionen, kommunikative Kodes
(Gestik, Mimik, Interaktionsrhytmus), als auch soziokulturelles
Hintergrundwissen mit Hilfe dessen die kommunikativen Kodes,
die Aufschluß geben über soziale Werte, Beziehungsdefinitionen,
Affektlagen und Verhaltenserwartungen interpretiert werden
können.
Kulturelle Prägung kommunikativer Kodes
Das Kulturemmodell von Oksaar (1983) kann zur Betrachtung
der kulturellen Prägung kommunikativer Kodes eingesetzt
werden.
Soziokulturelle Verhaltensweisen lassen sich durch das Modell
beschreiben. Es geht davon aus, daß kommunikative Verhaltensweisen
mehr oder weniger isolierbar sind: daß sich begrüßt
wird, oder nicht, je nach Situationen, daß sich bedankt,
entschuldigt wird, daß es Tabuthemen gibt. Diese Einheiten
nennt sie Kultureme. Sie versteht sie als abstrakte Einheiten,
die in verschiedenen kommunikativen Akten unterschiedlich
realisiert werden können. Ihre Umsetzung erfolgt durch
Behavioreme, die verbal, parasprachlich (Intonation, Rhythmus,
Atmung, Stimmlage, Pausen, Modulation) , nonverbal und extraverbal
(Raum, Zeit, Kontext) sein können und eine Antwort auf
die Fragen wie?, durch welche Mittel? ermöglichen.
Abbildung : Kulturemmodell
Nach diesem Modell lassen sich Verhaltensweisen in Einheiten
gliedern und beschreiben. Für den Begutachtungsprozess
erweist sich die Analyse kulturspezifischer Einheiten von
Verhaltensweisen für sehr sinnvoll. Am Beispiel des “Krank-Seins”
soll im folgenden näher darauf eingegangen werden.
“Krank-Sein” und interkulturelle Kommunikation
Krankheit bzw. das Auftreten des sich Krankfühlens
ist zunächst ein subjektiv wahrgenommenes Unwohlsein,
daß später innerhalb eines heilkundlichen Ideensystems
erst zur Krankheit objektiviert wird. Kranksein unterliegt
“... einem Entwicklungs- und Wandlungsprozeß,
der kulturspezifisch wahrgenommen und manipuliert wird. Dieser
Vorgang reicht von der ersten Wahrnehmung von Symptomen über
die Diagnose bis hin zur Therapie und verschiedene kulturelle
Institutionen sind für seine einzelnen Stadien verantwortlich”
(Koch 1987).
Peseschkian (1998:15) beschreibt in seiner transkulturellen
Betrachtung zum Unterschied zwischen Orient und Okzident folgende
Umgangsformen des Umfeldes und Wahrnehmungen des Kranken:
Orient: “Ist hier jemand erkrankt, so wird das Bett
ins Wohnzimmer gestellt. Der Kranke steht im Mittelpunkt und
wird von zahlreichen Familienmitgliedern, Verwandten und Freunden
besucht. Ein Ausbleiben der Besucher würde als Beleidigung
und mangelnde Anteilnahme aufgefaßt."
Okzident: “Wenn jemand krank ist, möchte er seine
Ruhe haben. Er wird von wenigen Personen besucht. Besuche
werden auch als soziale Kontrolle empfunden.”
Krankheitsverhalten
In vielen sozialmedizinischen Gutachten über
Antragsteller türkischer Herkunft sind die folgenden
Zitate oft benutzte Formulierungen zur Beschreibung ihres
Verhaltens:
“Jede Bewegung des Körpers wird von Schmerzbekundungen
begleitet.
“Ihr Verhalten ist leidensbetont mit demonstrativen
Schmerzangaben.”
“In psychischer Hinsicht leidensbetontes Ausdrucksverhalten,...”
“Auffalend ist hier eine nicht zu übersehende Aggravationstendenz
...”
Ein Faktor, der die interkulturelle Verständigung beeinflußt,
ist die Ebene der Wahrnehmung. Im Prozeß der Wahrnehmung
nimmt ein Mensch immer nur eine begrenzte Anzahl von Reizen
seiner Umwelt auf und bewertet diese nach Wichtigkeit. Wahrnehmung
und Kommunikation werden durch kulturelle, soziale, psychische
und situative Faktoren beeinflußt. Dazu zählen
auch u.a. das Weltbild des Menschen (innere Landkarten), seine
Glaubens-, Wert-, und Einstellungssysteme sowie Sozialorganisationen
wie Familienstrukturen, Erziehungseinrichtungen, religiöse
Einrichtungen u.ä.).
Im Bereich der Sprache sind Sprachkenntnisse ohne Frage ein
zentrales Element für die Verständigung mit anderen
Menschen. Erforderlich ist aber auch, zu wissen, in welcher
Situation eine bestimmte Sprachform wie angewandt wird. Sprachlichen
Formulierungen liegt ein Denkmuster einer Sprache zugrunde.
- Begriffe als Modelle der Wirklichkeit
Begriffe sind geistige Strukturen des Erkennens. Sie entstehen
aus der Erfahrung eines Menschen mit seiner dinglichen und
sozialen Welt und der Art und Weise, wie ein Mensch diese
Erfahrungen verallgemeinert. Ein Begriff stellt das gesamte
Wissen eines Individuums über einen Gegenstand oder Sachverhalt
dar. Begriffe sind das Resultat der Interaktion mit der Umwelt.
Zur Entwicklung gehören eine anfängliche Begriffsstruktur
im Kind, psychologische Prozesse des Subjekts mit seiner dinglichen
und sozialen Umwelt, ein interner Strukturierungsprozeß
und sukzessive Begriffsstrukturen, die als Resultat der Interaktion
im Laufe der Zeit entstehen und zur Begriffsstruktur eines
Erwachsenen führen. Begriffe bilden nicht nur die Wirklichkeit
ab, sie konstituieren sie auch (Szagun1991).
Begriffsinhalte müssen interindividuell übereinstimmen,
sonst kann Kommunikation nicht erfolgreich verlaufen.
Begriffe sind geistige Strukturen des Erkennens. Sie entstehen
aus der Erfahrung eines Menschen mit seiner dinglichen und
sozialen Welt und der Art und Weise, wie ein Mensch diese
Erfahrungen verallgemeinert. Begriffsstrukturen, die als Resultat
der Interaktion im Laufe der Zeit entstehen und zur Begriffsstruktur
eines Erwachsenen führen, haben einen prozeßhaften
Charakter. Die Aneignung von Begriffen ist ein lebenslanger
Prozeß.
Der Erwerbsprozeß der Wortbedeutung findet in der Sozialisation
innerhalb des sozialen und kulturellen Kontext statt. Darin
werden die Wortbedeutungen entsprechend den Vorstellungen,
Werten, Normen und Ideen der Mitglieder der jeweiligen Gruppen
weitergegeben.
In der Sozialisation erwirbt der Mensch also die kulturellen
Normen, Werte und Ideen einer Gruppe/Gesellschaft. Dabei spielt
die Sprache eine wichtige Rolle. Ein Kind kann keine Bezeichnung
oder keinen Begriff in seiner Umgebung bilden, der nicht Teil
der Kultur ist, in der das Kind aufwächst. Begriffsbildung
findet ihren Ausdruck in sprachlichen Einheiten und Strukturen.
Jede Einzelsprache bildet einen für sie spezifischen
Ausschnitt der Realität ab. Darüber hinaus schafft
die enge Einbettung der Sprache in das kulturelle Gefüge
weitere Bedingungen für spezifische Begriffsbildung.
Die individuelle Entwicklung eines Kindes und damit auch die
Begriffsentwicklung spielen sich innerhalb einer Sprach- und
Kulturgemeinschaft ab. Begriffe sind sprach- und kulturabhängig.
Aus einem interkulturellen Kommunikationkontext läßt
sich dieses oben zitierte Ausdrucksverhalten der türkischen
Patienten folgendermaßen nach dem Kulturemmodell beschreiben:
Der ethnokulturelle Hintergrund von Kranksein verdeutlicht
das Verhaltensmuster:
Der freie Ausdruck von Wünschen und Emotionen ist in
traditionellen Kreisen nicht gestattet. An dessen Stelle treten
nonverbale und indirekte Ausdrucksformen. Diese werden entweder
durch bestimmte Verhaltensweisen oder indirekte Redensarten
mitgeteilt. “Er berichtet dann von einem Gleichnis aus
der Türkei, das mir wiederum unverständlich ist.”
Die meisten Patienten, v.a. diejenigen mit keiner oder geringer
Schulbildung, haben nur geringe Kenntnisse über ihren
Körper. Aufgrund von weitgehender oder völlig fehlender
Informationen über Körpervorgänge ist es naheliegend,
wenn ungewöhnlich klingende Vorstellungen geäußert
werden. In der Vorstellung sind Symptom und Krankheit untrennbar
verknüpft. Krankheit wird dann wahrgenommen, wenn Störungen
auftreten, die als Krankheitszeichen gelten. Diese sind in
der Regel Schmerzen und äußerlich sichtbare Veränderungen.
Die Trennung von Psyche und Soma, die die moderne Medizin
praktiziert, ist in diesem Krankheitsverständnis nicht
vorhanden. Die leiblich-seelisch erlebte Mißbefindlichkeit
betont das ganzheitliche Krankheitsempfinden.
Bedingt durch diese soziokulturell-ganzheitliche Krankheitsverständnis
werden in fast allen Krankheitsfällen leibnahe Symptome
(Somatisierung) produziert. Die Beschreibung der Symptome
sind dann leibnah und besonders schmerzbetont. Im engen Zusammenhang
mit dem Erkennen von Erkrankungen steht die subjektive Deutung
ihres Schweregrades.
In den Schilderungen zur Wahrnehmung der Krankheit werden
häufig die Organe Leber, Lunge und Herz erwähnt.
Depressive Syndrome erinnern vielfach an funktionelle psychovegetative
Störungen oder an psychogene Schmerzsyndrome. Dabei stehen
folgende Symptome im Vordergrund: Diffuse unspezifische Beschwerden
und Schmerzen im Bereich vieler Organe und Organsysteme, diffuse
Druckkopfschmerzen, Muskelschwächen und –schmerzen,
Klagen über Lähmungserscheinungen und Hypo- bzw.
Hyperästhesien im Bereich der Extremitäten, die
an konversionsneurotische Beschwerdebilder erinnern, diffuse
hypochondrische Ängste und Befürchtungen, vor allem
Angst davor, an den Folgen eines schweren körperlichen
Leidens dauerhaft Invalide zu werden bzw. zu sterben, Schlafstörungen,
Abgeschlagenheit, Müdigkeit, leichte Erschöpfbarkeit,
unspezifische Schwindelzustände, Beklemmungsgefühle,
leichte Reizbarkeit mit starker Nervosität und innerer
Unruhe (dazu Zarifoglu).
Somatisierung von psychischen Leiden
Ein weiteres sehr auffälliges Verhalten türkischer
Antragsteller ist die vehemente Ablehnung jeglicher psychischer
oder psychiatrischer Erkrankungen.
...“Während des einleitenden Gesprächs erklärt
Herr Y., daß er eigentlich nicht wisse, was er hier
solle . Er gehe aber zu jedem Arzt, zu dem man ihn schickte”
... “Seelisch gesehen ging es ihm gar nicht so schlecht.
- ... Er schlafe nicht gut. Aber es gebe überhaupt keine
Probleme, wenn man das meine”...
Die Reaktion eines türkischen Patienten auf das Ergebnis,
des Verdachts auf eine depressive Verstimmung, eines Krankenhauses:
...“Dazu Herr Y. kopfschüttelnd und abweisend “O
Gott, o Gott,” – dafür habe er kein Verständnis.
Auf weiteres Nachfragen die Antwort: “Ich bedanke mich
bei allen Ärzten für das, was sie getan haben, -
aber meine Schmerzen kommen vom Rücken.” Es gäbe
keine Probleme, er könne mit der “Depression”
nichts anfangen.”...
Die Somatisierungstendenz bei Migranten v.a. erster Generation
ist sehr hoch. Sie liegt zum einen in ihnen tief verwurzelten
“traditionellen inneren Zensur”, die einen direkten
und freien Ausdruck von Problemen und Gefühlen nicht
erlaubt. Weiterhin ist die “körperliche Krankheit”
eine, soziokulturell, mit Toleranz begegnetes Leiden. Der
körperlich Kranke Mensch wird als schutzbedürftig
betrachtet und für sein “Versagen” nicht
persönlich verantwortlich gemacht.
In türkischen bäuerlichen Kulturen lehnt sich das
Krankheitsverständnis eng an die Volksmedizin an. Dieses
entspricht nicht einer bio-medizinischen Vorstellung. Die
volksmedizinische Betrachtungsweise geht davon aus, daß
die Krankheit von außen in den Körper eindringt
und ihn zumeist ganzheitlich befällt. Die Symptome lassen
sich bei einem ganzheitlichen Krankheitsgefühl in der
Regel kaum eindeutig beschreiben, sie lassen sich höchstens
mit einem allgemeinen Vitalitätsverlust, Erschöpfungszuständen
oder Schmerzsyndromen umschreiben.
Die Trennung von Psyche und Soma, die die moderne Medizin
praktiziert, ist in diesem Krankheitsverständnis nicht
vorhanden. Die leiblich-seelisch erlebte Mißbefindlichkeit
betont das ganzheitliche Krankheitsempfinden.
Selbstwahrnehmung und Introspektionsfähigkeit
...“Selbstwahrnehmung und Introspektionsfähigkeit
sind nicht entwickelt. Mögliche psychogenetische Zusammenhänge
werden entschieden und entrüstet abgewehrt. Psychiatrisch
relevante Belastungen und Konfliktlagen ließen (abgesehen
von möglicher subjektiver Erfahrung im Rentenverfahren)
nicht eruieren.”...
...“Die Untersuchung war hinsichtlich der Erfassung
psychodynamisch relevanter Faktoren völlig unergiebig.
Mit Sicherheit liegen weder eine seelische Erkrankung noch
eine neurotische Entwicklung vor.”...
In interkulturellen Begutachtungsprozessen müssen Fragen
nach Unterschieden und Ähnlichkeiten von menschlicher
und damit psychischer Entwicklung und nach Bestimmungsstücken
unterschiedlicher Weltbezüge gestellt werden. Die Introspektionsfähigkeit
ist stark mit einem individualistischem Konzept psychischer
Entwicklung des Menschen verbunden. Angehörige traditionell
orientalisch sozialisierter Menschen verfügen mehr über
ein kollektivistisch getönte Vorstellung von psychischer
Entwicklung. Die starke soziale Kontrolle läßt
dem Einzelnen nur geringen persönlichen. In orientalischen
Kulturen ist das Zusammenleben stark von dem Einfluß
Anderer abhängig. Konzepte über das “Ich”
sind nicht individualistisch getönt, wie dies in der
westlichen Auffassung über die Persönlichkeit eines
Menschen vorherrscht. Ein Angehöriger dieser Lebensform
sieht sich in Verbindung zu den anderen und beschreibt sich
selbst auch über andere: zum Beispiel “Ich bin
der Sohn von ...”. Im angestrebten Idealfall entsteht
durch gegenseitige Ergänzung eine Art “Kollektivwesen”
(Özelsel). Dieses Lebensgefüge läßt sich
ähnlich wie ein Organismus beschreiben. Alle einzelnen
Teile (Organe) wirken in Abhängigkeit zueinander zusammen
und können erst dadurch als Gesamtes existieren. Die
Wirklichkeitskonstruktion ist mit den “Anderen”
verbunden. Der Einzelne ist wichtig im Sinne seiner Einbettung
in die übergeordneten Systeme der Familie und näherer
Umgebung (Nachbarschaft). Hierbei überwiegt der “kollektive
Gedanke”. Die gesellschaftlich definierten Funktionen
und Organisationsstrukturen von Familie beinhalten kulturspezifische
Sozialisationsziele mit sehr unterschiedlichen Erziehungspraktiken
(vgl. Özelsel 1990).
Im Zusammenleben haben die Werte von Achtung, Respekt und
Autorität sehr hohen Bedeutungswert. Handlungspläne
und -vollzüge orientieren sich stark nach diesem Regelwerk.
Die gesellschaftliche Orientierung und Verhaltensstandards
haben ihren Regulativ im Außen, daß bedeutet,
die Einstellungen und Wertungen anderer ist für eigenes
Verhalten bestimmend. Wahrnehmung und Beurteilung von eigenen
Befindlichkeiten und Situationen werden durch externe Aufforderung
gefiltert. Individuelle Vorstellungen treten dabei in den
Hintergrund. So gehört die Beschreibung eigener psychischer
Entwicklung und Befindlichkeit nicht zur Gewohnheit. Aus dem
eigenen Krankheitserleben des Kranken sind diese psychischen
Bereichen nicht wahrnehmbar bzw. eine Akzeptanz dieser würde
eine Schwächung nach Außen (soziale Gefüge)
bedeuten. In einer nach dem kollektiv orientierten Lebensform,
in der die Familie und das soziale Umfeld die Bestimmung des
Ich und die Definition der Persönlichkeit ausmachen,
ist die Entwicklung von Introspektionsfähigkeit sehr
erschwert. Vielmehr sind nonverbale und indirekte Ausdrucksformen,
oft mit Gleichnissen umbeschrieben, vorzufinden.
Für eine gelungene interkulturelle Kommunikation bedarf
es deshalb der Kenntnis des kulturellen, religiösen und
sozialen Hintergrundes und auch der verbalen Sprache mit ihrem
semantischen und sinnbildlichen Eigenschaften.
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